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Zu Hetta aus Südafrika, Ellyanne aus Kenia und Joe aus Sierra Leone bitte runterscrollen, danke!

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hat Tourismus studiert und ist  Bloggerin.

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 belegt einen Kurs über Traditionelle Chinesische Medizin. Idir besucht die Rudolf Steiner Schule in Marrakesch.

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wohnt in einem Vorort von Antanarivo.

Ihre Schwester ist Hebamme und gibt einen Einblick in ihren Beruf. 

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 hat das Mittelmeer in einem Boot überquert. Seine Familie lebt nach wie vor in seinem Heimatdorf.

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vom Stamm der Kurya ist Journalist und wünscht sich das die weibliche Genitalverstüm-melung der Vergangenheit angehört.

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vom San Volk der ‡Khomani hat im Zuge einer Ausbildung die Wurzeln ihrer Vorfahren Schritt für Schritt entdeckt.  

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hat bereits über eine Million Bäume gepflanzt und ist eine der jüngsten Botschafterinnen für den Klimawandel.

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gibt mit viel Idealismus sein Know-how an Landwirt*innen weiter, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern.

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Die Vielfalt der Menschen entdecken- eine Momentaufnahme mit Irene aus Uganda

 

Februar 2021

 

Irene Allen Namisango (25) ist in Uganda geboren und aufgewachsen. Sie hat Tourismus an der Makerere Universität in Kampala studiert und schreibt mit Leidenschaft den Blog Uganda uncovered. In diesem Blog bringt sie Leser*innen ihr Land auf eine amüsante Art und Weise näher.

 

Irene, magst du die Besonderheit deines Namens erklären?

Namisango ist ein regionaler Name, der Verbrechen bedeutet. Ich bekomme oft Fragen wie: "Bist du eine Verbrecherin oder bist du das Urteil?". In Uganda werden Kinder unter anderem nach Vorkommnissen, nach damals vorherrschenden Situationen, aber auch nach Plätzen benannt, die zum Zeitpunkt der Geburt das Land geprägt haben. Es herrschte kurz vor Irenes Geburt 1994 ein entsetzlicher Bürgerkrieg, ein Völkermord, in dem Hutus 75 Prozent der Tutsis töteten. 

 

Wie sollen wir uns deine Heimatstadt vorstellen?

Buddo ist meine Heimatstadt im Wakiso District. Eine kleine Stadt, die berühmt für ihre elitäre Vergangenheit ist. Das Kings College Buddo ist eine renommierte Schule für die Könige von Buganda. Buganda ist ein Königreich im heutigen Uganda.

Der Bezirk Wakiso liegt im Zentrum von Uganda, etwa 38 km von der Hauptstadt Kampala entfernt.

In meiner Heimatstadt haben wir nur einen geschichtsträchtigen Ort: Nagalabi, ein Krönungsort für die Könige von Buganda.

 

Welche Kindheitserinnerungen magst du mit uns teilen?

Aus irgendeinem Grund ließ mich als Kind der Gedanke nicht los, warum Mutter Natur mich ausgerechnet in Uganda platzierte und nicht in einem der reichen weißen Länder wie den USA.

Erst mit etwa 20 Jahren, als ich an der Makerere Universität einen "Bachelor in Tourismus" absolvierte, fing ich an mein Land zu schätzen, es mit anderen Augen wahrzunehmen. Ich fing an, mein Land zu bereisen.

Als Kind hasste ich es, in einem Land aufzuwachen in dem ich täglich matooke (eine aus gedämpften grünen Kochbananen bestehende Nationalspeise) essen musste. Warum konnte ich nicht auch einmal eine Pizza oder einen Burger probieren, so wie es mir in den Filmen gezeigt wurde?

Wie kann es sein, dass bereits Kinder mit vier Jahren ein eigenes Zimmer haben? Als Kind musste ich mir mein Zimmer mit vier Geschwistern teilen. Nicht einmal mit 20 Jahren kann ich mir ein eigenes Zimmer leisten. 

Ich vergaß, dass es diese kleinen Dinge waren, die uns zusammenwachsen ließen und ein unzerstörbares Band der Liebe zwischen uns schufen. Wenn sich heutzutage eine Schwester niedergeschlagen oder traurig fühlt, fühle ich mit ihr mit. Ich bin genauso bedrückt wie sie. Wir lernten zu teilen und vor allem lernten wir mit dem zufrieden zu sein, was wir hatten.

Als Kind liebte ich ein Spiel mit dem Namen Sonko. Wir zeichneten auf dem Boden Linien mit vielen Feldern. Danach warfen wir einen Stein in ein x-beliebiges Feld. Ziel war es, in alle Felder zu hüpfen, um im Anschluss den Stein wieder mitzunehmen. 

 

Was hat dich bewogen, einen Blog zu schreiben?

Ich fing an, durch Uganda zu reisen, lernte unsere einzigartige Kultur kennen. Mir wurde bewusst das ich in einem Land wohne, das mit einem enormen Reichtum an Flora und Fauna gesegnet ist. Ein Land mit vielfältigen Landschaften, ausgedehnten Savannen, Regenwäldern und anderen Wundern, die ich nicht zu schätzen gewusst habe.

Ich war überzeugt, dass „meine Perle“ geschaffen wurde, um geschützt zu werden, und niemand würde das besser machen als ich.

So fing ich an über mein Land zu bloggen, um all die verborgenen Schönheiten vor allem meinen Mitbürgern zu zeigen. Auch sie sollen sich in die Vielfalt unseres Landes verlieben. Das ist meine Leidenschaft.

 

Warum „brennst” du für deine Arbeit?

Was ich an meinem Beruf am meisten liebe ist, dass er mir die Möglichkeit gibt die Schönheit meines Landes kennenzulernen. Vielleicht hätte ich diese Einsicht und Schönheit nie kennengelernt, wenn ich eine Ärztin im Krankenhaus von Mulago, dem größten Krankenhaus von Uganda, geworden wäre.

 

Siehst du eine nachhaltige Entwicklung im Tourismus?

Tourismus ist keine neue Erscheinung in Uganda. Bereits in den 1950er-Jahren kamen die ersten Reisenden in unser Land. Aber, dass ein Tourismuswachstum fast Hand in Hand mit einer nachhaltigen Entwicklung geht, dieser immer mehr an Bedeutung gewinnt, ja das ist ein frischer Wind in unserem Land.

 

Wie viele Ethnien leben in Uganda?

Wir haben über 56 verschiedene Stämme mit unterschiedlichen Sprachen, Kleidern, Ritualen und Glaubensvorstellungen.

 

Hast du als Kind Urlaub gemacht?

Nein, ich habe nie Urlaub gemacht. Reisen ist in unserer Kultur unüblich. Die einzigen Reisen, die ich unternommen habe, waren Exkursionen in meiner Volksschule. Ich erinnere mich an einen Besuch der Nilquelle in Jinja und der Bujagali-Wasserfälle. Ein Ausflug den jede Grundschule beinahe jährlich unternimmt.  

 

Möchtest du uns noch etwas mit auf dem Weg geben?

Ich bin eine stolze Einwohnerin von Uganda und liebe mein Land, die Perle Afrikas.

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Die Vielfalt der Menschen entdecken - eine Momentaufnahme mit Lahoucine und seinem Sohn Idir 

Februar 2021

 

Lahoucine (48) ist geboren auf 1.900 Meter Seehöhe in einem Berberdorf im Aït Bougoumez-Tal im zentralen hohen Atlas. Nach fünf Jahren Volksschule im Tal besuchte er die Sekundarstufe, wo er bei seinem Bruder, einem Lehrer wohnte. Lahoucine maturierte nach der Oberstufe in Marrakesch und begann anschließend eine Ausbildung zum Wanderguide. Während dieser Zeit wohnte er in einer Wohngemeinschaft.

Seit 2000 bringt er u.a. Gästen von Weltweitwandern, einem Grazer Reiseveranstalter, den Zauber der Wüste, der Berge und der königlichen Stätten näher.

Nebenbei belegt er seit über zwei Jahren einen Kurs über Traditionelle Chinesische Medizin (TCM).

 

Wie etabliert ist die TCM in Marokko?

Lahoucine: Traditionelle Chinesische Medizin ist in Marrakesch eine Medizin der Wohlhabenden. Als Berber haben wir selbst eine alte medizinische Tradition im Sinne von Akupunkturpunkten, Massagen und Phytotherapie (Pflanzenheilkunde). Arganöl setzen wir z.B. zur Desinfektion bei Wunden oder bei Gelenkschmerzen und unreiner Haut ein. Ich finde es persönlich schade, dass das Wissen über die traditionelle Medizin der Berber in den Hintergrund tritt. Viele glauben, durch Pillen aller Art ist es möglich, jede Beschwerde in kürzester Zeit zu lindern.

 

Wie empfindest du dein Leben als Marokkaner?

Lahoucine: Positiv. Ich liebe meinen Beruf, fühle mich als moderner Nomade. Ich schätze an Al Maghrib (Land des Sonnenuntergangs) die enorme Vielfalt an unterschiedlichen Landschaften, unsere Geschichte, die Tradition und unser Essen. Den Geruch von Couscous verbinde ich mit Familie, mit Zu-Hause-Ankommen, mit Geborgenheit.

Der offizielle Name lautet Al-Mamlaka al-maghribiya (das Maghrebinische Königreich). Der Name Marokko leitet sich von der Stadt Marrakesch ab.

 

Beschreibe in kurzen Zügen dein Familienleben.

Lahoucine: Wir leben gemeinsam mit unserer Katze Mimi in einem Haus in der quirligen Stadt Marrakesch. Mit fast 2 Millionen Einwohnern ist Marrakesch die viertgrößte Stadt in Marokko.

Idir: Meine Schwester Khira (14) und ich (12) besuchen die Waldorf-Steiner-Schule. Wir sprechen zu Hause und mit Freunden Tamazight (eine Berber Sprache), Schweizer-Deutsch und Darija (einen arabischer Dialekt).

 

Wie hast du deine Frau kennengelernt?

Lahoucine: Meine Frau Brigitte, sie stammt aus der Region Sankt Gallen, habe ich 1997 auf einer wunderschönen Wandertour in der Wüste kennengelernt. Eine Tour, die mein Leben verändert hat! Nach einer mehrjährigen Fernbeziehung ist sie 2001 nach Marokko gezogen.

 

Idir, magst du deinen Alltag beschreiben?

Idir: Gerne. Ich stehe in der Schulzeit (Montag – Freitag) um 7:00 früh auf, frühstücke meist Brot mit Honig und Früchten, bevor mich meine Mutter oder mein Vater mit dem Auto in die Schule bringt. Auf die Tage mit Geschichte am Stundenplan freue ich mich am meisten.

In meiner Schule werden die Sprachen Hocharabisch, Französisch, Englisch, Deutsch und Spanisch angeboten.

Meine Freunde, die ich gut zu Fuß erreiche, treffe ich zum Fußballspielen am Wochenende oder Mittwoch nachmittags, vorausgesetzt, wir haben keinen Nachmittagsunterricht. 

Wenn es zu Abend, zwischen 19:00 und 20:00 Uhr, nach Tagine oder Couscous duftet, läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Bei manchen Gemüsesorten rümpfe ich schon mal die Nase.

Zu Bett gehe ich meist gegen 21:00.

 

Welche Bedeutung hat Urlaub für euch als Familie?

Lahoucine: In der Natur zu sein, zu wandern, unter den Sternen in einem kuscheligen Schlafsack zu schlafen. Gemeinsam als Familie entspannen wir bei Verwandten im Tal von Bougoumez.

Idir: Ich fahre mit meiner Schwester und meiner Mutter in den dreimonatigen Sommerferien vier bis fünf Wochen in die Schweiz. Am meisten genieße ich, in den Ferien im Bett zu lesen, Freunde zu treffen und viel zu spielen!

 

Was bewegt dich zurzeit?

Lahoucine: Ich habe im Jänner ein Video mit Khadija, Khira, Mlaid, Naima und Touda gedreht. Diese fünf Frauen haben eine Kooperative in meinem Heimatdorf Imlghas. In meinem Heimatdorf leben rund 60 Familien, im Tal von Bougoumez gibt es etwa 32 Dörfer.

Die Frauen knüpfen und weben Teppiche mit weiß-schwarzer Wolle, färben diese mithilfe von Pflanzen und Mineralien in bunten Farben.

Jeden Nachmittag treffen sich die Frauen, um zu arbeiten.

Ich habe dieses Video gedreht, um aufzuzeigen, wie ein Berberteppich von der Pike auf entsteht. Ich erhoffe mir auf diese Art und Weise traditionelles Wissen zu erhalten und an jüngere Generationen, wie die meiner Kinder weiterzugeben.

 

Im Video malen sich die Frauen wunderschöne Henna Tattoos. Welchen tieferen Sinn haben diese Tattoos?

Lahoucine: Henna stellt eine Verbindung zwischen den einzelnen Frauen her, damit sie sich hübsch, wertgeschätzt und wohl fühlen, und ist ein langjähriger Bestandteil unserer Kultur. Die Paste wird von den Blättern der Hennapflanze gewonnen. Die Blätter werden zu feinem Pulver gemahlen, mit Wasser gemischt und fertig ist die Paste. 

Aufgetragen werden die Muster auf den Händen, den Füßen und im Gesicht.

Henna Tattoos werden traditionell bei Hochzeiten, am Ende des Ramadans, beim Opferfest (Eid al-Adha), das dieses Jahr im Juli stattfindet, aufgetragen.

Frauen, die um ihren verstorbenen Ehemann trauern, ist es für 4 Monate und 10 Tage untersagt, ihre Haut mit Henna Tattoos zu verzieren.

In dieser Zeit sind die Frauen weiß gekleidet und gehen keine Beziehung zu einem neuen Mann ein. Nach der Trauerzeit fängt für die Frau ein neues Leben an.

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Enoela Cathy

Die Vielfalt der Menschen entdecken – eine Momentaufnahme mit Enoela Cathy

März 2021

 

Enoela Cathy (24) wohnt in Belanitra, einem Vorort im Norden von Antanarivo, kurz Tana genannt, der Hauptstadt von Madagaskar.

Die Liebe zur deutschen Sprache hat sie eine touristische Laufbahn einschlagen lassen.

Zurzeit arbeitet Enoela Cathy in einem Reisebüro in der Hauptstadt. Dort kümmert sie sich um Anfragen und Abwicklungen von Reservierungen.

Seit ihrer Zeit auf dem Lycée Luigi Orione (LCO) Namehana, einem Gymnasium, lernt sie mit großer Begeisterung Deutsch. Auf der Universität hat sie einen Bachelor in Deutsch erworben.

 

Ist es üblich, in Madagaskar Deutsch zu lernen?

Nein, ganz und gar nicht. Aber ich liebe den Klang der Sprache, die Sprachkultur. In meinem Gymnasium wurde neben Englisch und Französisch auch Deutsch angeboten. Dort bin ich das erste Mal in Berührung mit der deutschen Sprache gekommen.

Wie lange ist dein Arbeitsweg?

Unterschiedlich. Je nach Verkehr kalkuliere ich mindestens 1 ½ Stunden pro Richtung für eine Strecke von rund 15 km ein. Manchmal brauche ich auch zwei Stunden. Aufgrund von Corona ist die Anzahl der Personen, die in einem Bus mitfahren dürfen, auf 17 Personen beschränkt. Vor Corona waren es um 10 Personen mehr. Dadurch muss ich oft mehrere Busse abwarten, damit ich einen Platz im Bus bekomme. Aufgrund dieser Tatsache läutet mein Wecker täglich um 5:00 morgens. Auf dem Weg zur Arbeit lese ich gerne Bücher und auf dem Heimweg höre ich manchmal Musik (z.B. Klassik oder Erick Manana Tiako).

Stellst du mir deine Familie vor?

Ich bin als zweite von vier Töchtern geboren worden. Gemeinsam mit unserer Katze und unserem Hund leben wir in einem gemütlich eingerichteten Haus. Meine ältere Schwester heißt Sherinah Ida, ist 26 Jahre alt und von Beruf Hebamme. Meine zwei jüngeren Schwestern sind 14 und 21 Jahre alt und studieren bzw. gehen noch zur Schule.

Mag deine Schwester uns etwas über ihren Beruf als Hebamme erzählen?

Sherinah Ida: Gerne. Ich arbeite in einem Spital mit einer eigenen Geburtenabteilung in einem Dorf. Der Klinik steht ein einzelnes 5-Bett Zimmer zur Erholung der frischgebackenen Mütter zur Verfügung. Um Privatsphäre zu schaffen, werden die Betten mit Vorhängen getrennt. 

In meinem Umkreis besuchen viele Schwangere einen Geburtsvorbereitungskurs, wo sie u.a. viel über die Atmung lernen oder verschiedene Geburtsstellungen ausprobieren. Es gibt keine vom Staat vorgeschriebenen Untersuchungen, weder vor noch nach der Geburt. Der Staat stellt die sogenannten Centres de Santé de Base (CSBII), das sind Gesundheitszentren, u.a. auch für werdende Mütter und Babys zur Verfügung, die gegen ein geringes Entgelt aufgesucht werden können. Je ländlicher die Gegend, desto weiter ist das nächste CSBII weg. (Lesen Sie hier dazu folgenden Artikel).

Bei der Geburt selbst ist es in meinem Umkreis üblich, dass der Vater und die Eltern des Paares anwesend sind.

Werdende Mütter werden mit großem Respekt behandelt. Steigt eine werdende Mutter in einen Bus, erhält sie automatisch einen Sitzplatz und muss sie in einer Schlange warten, wird sie automatisch vorgelassen.

Der Mutterschaftsurlaub ist insgesamt (vor und nach der Entbindung) auf einen Zeitraum von 14 Wochen aufgeteilt. In Antanarivo ist es üblich, dass Frauen 6 Wochen nach der Geburt zu ihrem Arbeitsplatz zurückkehren.

Die jüngste Frau, die ich bei der Geburt begleiten durfte, war erst 16 Jahre alt, die älteste im reifen Alter von 51 Jahren.

Enoela Cathy, was ist deiner Meinung nach einzigartig in deiner Region?

Die Region, in der ich lebe, heißt Analamanga. Das Besondere an meiner Gegend sind die 12 heiligen Hügel von Imerina. Die Zahl Zwölf ist hierbei als heilige Zahl der Merina-Kosmologie zu verstehen.

Die Hügel haben für den Stamm der Merina eine historische, politische oder spirituelle Bedeutung.

Ich schätze an meiner Region besonders die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Menschen. Falls ich ein Problem habe, kann ich darauf zählen, dass mir von fremden Menschen geholfen wird.

Wie ernährst du dich?

Ich liebe Schweinefleisch mit Maniokblättern und trinke am liebsten Mineralwasser oder Kuhmilch.

Ich esse, so wie die meisten Madagassen auch drei Mal am Tag Reis. Angeblich essen wir im Schnitt 120 kg Reis pro Jahr. Im Vergleich: Der Pro-Kopf-Verzehr in China liegt bei rund 77 kg Reis im Jahr. In der Früh esse ich Reis in Form einer Suppe oder einem Mofo Gasy (Reispfannkuchen), zu Mittag und zu Abend Reis mit Zebu (Buckelrind), Huhn oder Gemüse. Der Großteil des Reises wird im Hochland von Madagaskar angebaut.

Welches Fest ist für dich das Highlight des Jahres?

Der Nationalfeiertag. Am 26. Juni 1960 erreichte Madagaskar seine Unabhängigkeit von Frankreich. Wir feiern dieses Fest tagsüber mit einer großen Militärparade im Mahamasina Stadium und am Abend gehen alle Menschen mit Laternen durch die Straßen. Es ist ein wunderschönes Lichterfest.  

Was heißt „Die Vielfalt der Menschen“ in deine Muttersprache übersetzt?

Meine Muttersprache ist Malagasy und die Vielfalt der Menschen heißt:

NY FAHASAMIHAFAN´NY OLONA

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Boukary

Die Vielfalt der Menschen entdecken – eine Momentaufnahme mit Boukary 

 

März 2021

 

Boukary (35) ist in einem Dorf mit dem exotisch klingenden Namen Dango-Bangagou in der Provinz Boulgou aufgewachsen. Seit März 2010 lebt er in einem Naturfreundehaus südlich von Livorno in Italien. Boukary´s Familie lebt nach wie vor in seinem Heimatdorf. Seine Frau und der dreijährige Sohn Bilal leben gemeinsam mit den Eltern, seinen Geschwistern und deren Familien in seinem Heimatdorf.

Lebt deine Familie von der Landwirtschaft?

Ja, sie arbeiten auf den Feldern. Zwischen Juni und Ende November ist Regenzeit. In den letzten Jahren ist der Regen immer weniger geworden und gefährdete des Öfteren unsere Ernte. Ich sende meiner Familie Geld, damit diese sicher über die Runden kommt.

Zu Hause bauen wir Mais, Hirse, Bohnen, Reis, Fonio-Hirse (eine der ältesten und nahrhaftesten Getreidesorten der Welt), Erdnüsse und Okra an. An Früchten ernten wir Mangos, Guaven, Néré, Neem und die Nüsse des Karitébaumes.

Jede Familie besitzt zwei oder drei Rinder, Ziegen, Schafe und Hühner.

Teilst du Einblicke von deiner Vergangenheit mit mir?

Als Kind habe ich als Schuhputzer in der über 100 km entfernten Hauptstadt Ouagadougou zum Einkommen meiner Familie beigetragen. Als sie mein Studium nicht mehr unterstützen konnten, beschloss ich, Burkina Faso zu verlassen. Zuerst verschlug es mich nach Ghana, dann an die Elfenbeinküste, weiter nach Benin und Niger, bevor ich den Mut wagte, nach Libyen zu gehen. Ich wünschte mir so sehr, dass meine Eltern in einem gemauerten Haus wohnen können, anstatt einer einfachen Lehmhütte.

Nach drei Jahren hegte ich die Absicht zurückzukehren, ich hatte mir bereits einen Platz in einem Flugzeug reserviert, als mir vollkommen unerwartet und überraschend eine Überfahrt mit einem kleinen Boot nach Europa angeboten wurde. Ich ergriff die Chance und ging.

Zurzeit arbeite ich in der Landwirtschaft und ich besuche meine Familie alle zwei Jahre. Ich kommuniziere mit meinen Lieben regelmäßig über WhatsApp. Der Trennungsschmerz von meiner Familie und von meinen Jugendfreunden zerrt enorm an meinen Kräften.

Wie kann ich mir dein Dorf und das Dorfleben vorstellen?

Ich bin ein gläubiger Muslim. In der Mitte des Dorfes steht unsere Moschee. Am „Dorfplatz“ treffen sich die Bewohner, um zu frühstücken, Früchte zu kaufen.

Im Rahmen eines Projektes der Naturfreunde wurden zwei Brunnen gegraben und Bäume gepflanzt. Die Lehmhütten verschwinden, nach und nach treten gemauerte Häuser an ihre Stelle.

Die einzelnen Familienverbände leben in einer Art „Mini Dorf“ zusammen. Mauern umgeben einen Innenhof, wo jede Familie eine eigene Wohneinheit besitzt. Rund 1.000 Menschen leben auf diese Weise in meinem Dorf zusammen.

Pisten verbinden die einzelnen Häuser miteinander. Die einzige Infrastruktur im Dorf ist eine Tankstelle.

Ist die Ernte gut ausgefallen, feiern wir ein Fest vor dem Haus des „Dorfchefs“.

Als Muslime feiern wir das Ende des Ramadans und das Islamische Opferfest. Wir nennen das Opferfest Tabaski oder Schaf-Fest. Auf dieses Fest freue ich mich jedes Jahr besonders.

An Festtagen essen wir mein Lieblingsgericht Hühnchen. Im Alltag essen wir Tô, ein neutraler Hirsebrei, der seinen Geschmack durch das Eintunken von Saucen bekommt.

Wird ein Kind geboren, kaufen wir einen Widder, Säcke mit Reis und Kolanüsse (diese dürfen als Symbol bei keinem Fest fehlen). Der Imam gibt dem Kind den Segen und danach feiern Familie, Freunde und Nachbarn mit einem reich gedeckten Tisch. Bei einem Todesfall findet eine Zeremonie am siebenten Tag nach dem Tod statt. Am 43. Tag bei Männern und am 44. Tag bei Frauen wird diese Zeremonie wiederholt. Geburtstage sind in meiner Familie nebensächlich und werden nicht gefeiert.

Welche Veränderungen hast du in deiner Region erlebt?

Bevor wir die beiden Brunnen gebohrt haben (der erste Brunnen ist 70 Meter tief, der zweite 45 Meter) mussten Frauen und Kinder täglich fast zwei Kilometer zu Fuß gehen. Unsere Dorfschule war der einzige Ort mit einem Brunnen. Die Generation meiner Eltern, meine Generation und die Generation meines Sohnes sind unterschiedlich. Meine Eltern hatten zum Beispiel ein härteres Leben, waren aber zufriedenere Menschen. Damals war Geld zum Leben nicht essenziell. Im Vergleich dazu dreht sich das heutige Leben nur um Geld. Früher war es zum Beispiel normal zu Fuß zu gehen, heute fahren die Menschen mit einem Moped, dafür brauchen sie Geld für Benzin. Zum Telefonieren brauchen wir eine SIM-Karte und ein Handy. Früher wurden Briefe oder Tonbänder einfach Freunden der Familie mitgegeben, die im Land unterwegs waren. Diese wären nie auf den Gedanken gekommen, Geld dafür zu verlangen. 

Was ist das Lieblingsspiel deines Sohnes?

Momentan liebt Bilal es, mit einer Blechdose zu spielen. Die Dose hat ein Loch, durch die ein Draht verläuft und mit einem Stock verbunden ist. Er läuft mit dem Stock, der die Dose vor sich herschiebt und bekommt das wunderbare Gefühl, ein kleines Auto zu fahren.

Welchen Stellenwert hat Musik für dich?

Musik lässt mich meine Sorgen vergessen und ich fühle mich wohl dabei. Ich höre gerne Reggae, Zouk, Soukous. Eine kleine Kostprobe von einem Lied, das ich gerne höre, teile ich hier mit dir. 

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George

Die Vielfalt der Menschen entdecken – eine Momentaufnahme mit George

April 2021

 

George (30) ist mit Leib und Seele Journalist. Er wurde in Tarime geboren. Dieser Bezirk liegt nördlich der Serengeti und befindet sich an der Grenze zu Kenia. Er lebt mit seiner Frau in einem kleinen Haus ein paar Kilometer außerhalb von Mwanza, der zweitgrößten Stadt in Tansania am Südufer des Victoriasees. Seine Geschwister leben nach wie vor noch in Tarime, seine Eltern sind leider vor einigen Jahren verstorben.

 

Wolltest du schon immer Journalist werden?

Ja, seit ich in die Sekundarstufe gegangen bin. Ich bin sehr glücklich, dass mein Traum in Erfüllung gegangen ist. Ich liebe meine Arbeit, weil ich dadurch zur Veränderung in unserer Gesellschaft beitragen kann. Ich habe das Gefühl, etwas in meiner Community zu bewegen. Durch meine journalistische Tätigkeit und meinen Blog erfahren meine Leser*innen Neuigkeiten, ich kläre auf, schaffe Bewusstsein z.B. für Bildung.

Es macht mich glücklich und zufrieden, wenn ich meine Verantwortung, die ich gegenüber den Menschen habe, gewissenhaft erfülle und meine gesteckten Ziele erreiche.

 

Welche Veränderung in der Gesellschaft wünscht du dir am meisten?

Dass die Genitalverstümmelung von Frauen endlich der Vergangenheit angehört. Ich persönlich stamme vom Watimbaru Clan, einem Stamm der Kurya ab. Im Stamm der Kurya und Wakurya praktizieren noch immer mehr als 12 Clans die weibliche Genitalverstümmelung (und die Beschneidung der Männer). Eine Praktik, die keinerlei Vorteile, sondern nur Leid von schätzungsweise 125 bis 200 Millionen Mädchen und Frauen weltweit mit sich bringt.

 

Mit welchem Alter wird ein Mädchen normalerweise beschnitten?

Vor über 10 Jahren wurden Mädchen mit 14 Jahre beschnitten. Ein Ritual, um zu zeigen, dass die junge Frau reif für die Ehe ist. Eine Ehe in so jungen Jahren einzugehen bedeutete für die Frauen in der Regel den Verlust von Bildung. Nachdem die Regierung und Organisationen Kampagnen gegen Genitalverstümmelungen gestartet hatten, führte das unter Umständen dazu, dass Kinder schon unter 10 Jahren meist im Geheimen beschnitten wurden. Es war auch kein Einzelfall, dass eine nicht beschnittene Frau im Rahmen der Geburt beschnitten wurde.

 

Weißt du, wie diese Tradition entstanden ist?

Die Tradition ist bereits alt. Als unsere männlichen Vorfahren von Kriegen heimgekehrt sind, waren ihre Frauen öfter schwanger oder wiegten ein Baby im Arm. Sie glaubten, dass Genitalverstümmelung eine sichere Vorbeugemaßnahme sei, um das Lustempfinden der Frau zu zügeln. Eine Vorstellung, die veraltet ist und keinen Platz mehr in unserer gebildeten Gesellschaft einnehmen sollte.

 

Warum glaubst du, ist es so schwierig, sich von diesem Ritual zu trennen?

Es ist schwer, sich von einer Tradition zu trennen, die in unserem Bewusstsein tief verwurzelt ist und von Generation zu Generation weitergegeben wird. Menschen haben einen Drang, ihre Traditionen zu erfüllen. Sie glauben, erst mit der Beschneidung sei eine Frau eine „reine“ und echte Frau. Die Beschneidung wird auch als Teil der Mitgift an den zukünftigen Ehemann gesehen.

Lt. einem Artikel von Terre des Femmes wird mit 97% Typ III (Infibulation) von Genitalverstümmelung (FGM - female genital mutilation) am häufigsten praktiziert. Hierbei werden die inneren Schamlippen sowie die äußeren Lippen teilweise oder vollständig entfernt, mit oder ohne Entfernung der Klitoris. Unter den restlichen 3% befinden sich alle anderen Typen (I, II und IV). Finden Sie hier eine Beschreibung der einzelnen Typen.

 

George, was machst du, um abschalten zu können?

Ich liebe es, Filme zu schauen, aber auch Dokumentationen oder Fußball. Selbst spiele ich auch gerne Fußball. Ich bin sehr offen für Neues, bin wissbegierig und lerne sehr gerne dazu.

Ich reise gerne und erkunde Plätze, die ich vorher noch nicht gekannt habe.

 

Was bedeutet „Die Vielfalt der Menschen“ auf Kisuaheli?

Gundua utofauti na watu wake

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Entdecke die Vielfalt der Menschen – eine Momentaufnahme mit Ellyanne

 

Mai 2021

 

Ellyanne (11) ist in London geboren und zog mit 9 Monaten mit ihrer Familie nach Kenia. Der Kindergarten, den sie besuchte, wollte im Rahmen eines Projektes bekannte Helden und Heldinnen wie Martin Luther King, Mahatma Ghandi, Florence Nightingale, Mutter Teresa, Uhuru Kenyatta oder Wangari Maathai den Kindern näherbringen.

Ellyanne war von Wangari Maathai so beeindruckt, dass es ihr größter Wunsch war, ihr nachzueifern, und sie selbst anfing Bäume zu pflanzen. Ellyanne hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, über eine Milliarde Bäume zu pflanzen! In ihrem Land und vielleicht auch weltweit ist sie die jüngste Botschafterin für den Klimawandel.

 

Warum hat dich genau Wangari Maathai inspiriert und nicht Mahatma Gandhi?

So wie mein Vorbild liebe ich auch Bäume. Ich klettere gerne darauf herum, lese, male oder spiele im Schatten der Bäume.

Wangari Maathai war eine kenianische Professorin, Wissenschaftlerin, Politikerin und stellvertretende Ministerin für Umweltschutz. Sie gründete 1977 das Green Belt Movement Aufforstungsprogramm.

Nachdem ich meine Mutter überredet hatte, einen eigenen Baum im Garten zu pflanzen, wollte ich weitere Bäume pflanzen. So wurden aus einem Baum zehn Bäume, aus zehn Bäumen hundert Bäume. Gemeinsam mit unterschiedlichen Schulen haben wir bis jetzt über 1,3 Millionen Bäume in Kenia, Uganda und anderen Ländern gepflanzt. Ich will Bäume auch in Äthiopien, Djibouti, dem Tschad oder anderen Ländern der Sahel Zone pflanzen.

 

Erzähle mir bitte mehr von dem Projekt, das du ins Leben gerufen hast.

Gemeinsam mit anderen Kindern und Jugendlichen habe ich das Projekt „Children With Nature“ gegründet. Zum Glück habe ich mir damals die Zweifel, die Erwachsene gegen das Projekt gehegt haben, nicht allzu sehr zu Herzen genommen. Andere Menschen haben an uns geglaubt und uns unterstützt, so dass wir unsere Vision als Projekt in die Realität umsetzen konnten. 

Wir besuchen Schulen, vermitteln Wissen und Bewusstsein über umweltfreundliches Verhalten und den Klimawandel.

Folgende SDG´s (Sustainable development Goals oder Globale Ziele für nachhaltige Entwicklung) sind uns dabei besonders wichtig: SDG 13: Maßnahmen zum Klimaschutz, SDG 14: Leben unter Wasser, SDG 15: Leben an Land aber auch die Africa Union´s Agenda 2063 und die Kenya Vision 2030.

 

Wer hat dir das Wissen über den Klimawandel und die Umwelt beigebracht?

Vieles habe ich mir durch Lesen und ständiges Nachfragen selbst beigebracht. Später lehrte mich die Wissenschaftlerin Dr. Jane Njuguna vom Kenya Forestry Research Institute (KEFRI). Sie führte mich in die Wissenschaft der Bäume ein. Welche Sorten pflanze ich wann und in welcher Gegend an oder welche Bäume passen zueinander, um nur einige Beispiele zu nennen. 

 

Ellyanne, was ist dein größter Traum?

Ich will eine Umweltrichterin werden. Dafür muss ich Umweltgesetze und Politik studieren. Ich will unsere Natur schützen und langfristig vor schädlichen Einflüssen und Zerstörung bewahren.

 

Magst du uns noch einen Einblick in dein Alltagsleben geben?

Ich wachse als Einzelkind auf und habe sieben Hunde als Haustiere. Da wir vor kurzem umgezogen sind, leben meine Hunde noch an einem anderen Ort als ich. Ich male wahnsinnig gerne Bilder, liebe Pferde, Zebras und besonders Leoparden, weil diese so wie ich gerne auf Bäume klettern. Das gepunktete Fell der Leoparden finde ich wunderschön.  

Da ich in einem Land wie Kenia aufwachse, habe ich bereits viele Tiere in freier Wildbahn gesehen. Beeindruckt haben mich die Herden von Zebras, Antilopen, Büffeln, Gnus aber auch Fleischfresser wie Hyänen, Geparden, Löwen und Krokodile. Erstaunt war ich über die Größe der Elefanten und der stattlich gebauten Flusspferde.

Gemeinsam mit Freunden spiele ich gerne verstecken oder versteinern und gehe im Park oder Wald spazieren. Am meisten freue ich mich auf meinem Geburtstag im Juli, auf Weihnachten und Ostern.

Meine Lieblingsfächer in der Schule sind Mathematik, Sachunterricht, Zeichnen und Suaheli, unsere Amtssprache.

Ellyanne
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Entdecke die Vielfalt der Menschen – eine Momentaufnahme mit Hetta

 

Mai, 2021

 

Hetta (25) vom Sanvolk der ‡Khomani ist bei ihren Großeltern in einer Kleinstadt in der Kalahari aufgewachsen, weil ihre Mutter im entfernten Kapstadt und ihr Vater in Johannesburg arbeitete. 2019 machte sie eine Ausbildung im !Khwa ttu San Culture and Education Centre nahe Yzerfontein nördlich von Kapstadt. Seit März 2020 ist sie im Housekeeping beschäftigt. Der Name !Khwa ttu bedeutet in der Xam-Sprache Wasserstelle. Das gemeinnützige Unternehmen, das 850 Hektar Land umfasst, ist auf drei Säulen aufgebaut:

1) Als touristischer Anbieter mit Übernachtungsmöglichkeiten und einem Restaurant.

2) Als Ausbildungszentrum für junge San-Angehörige.

3) Förderung nachhaltiger Naturprojekte und Vermittlung und Kennenlernen der San-Kultur.

Wie hast du von der Ausbildung erfahren?

Durch meine Tante. Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht viel darüber, was mich in !Khwa ttu erwartet. Gemeinsam mit neun anderen jungen Erwachsenen aus Südafrika, Namibia und Botswana absolvierte ich von September 2019 bis Februar 2020 eine touristische Ausbildung in der hauseigenen IIKabbo Academy. Alle meine KollegInnen gingen danach wieder zurück in ihre Heimat, ich blieb.  

Was hat dich während der Ausbildung am meisten fasziniert?

Da ich in einer Kleinstadt aufwuchs, wusste ich sehr wenig über unsere Kultur.

2014 besuchte ich im Rahmen eines Schulausfluges das erste Mal traditionell lebende San-Menschen.

Erst im Zuge meiner Ausbildung habe ich die Wurzeln meiner Vorfahren Schritt für Schritt entdeckt.

Die Lebensweise hat mich dabei am meisten fasziniert.

Das Essen, die Medizin (viele hunderte ess- und verwertbare Pflanzen sind den San bekannt), die Kleidung, die Hütten, die Jagdwaffen, alles, was San-Menschen zum Überleben brauchen, beziehen sie aus der Natur. Geld spielt keine wesentliche Rolle im Leben von traditionell lebenden San-Menschen. Schmuck wird z.B. aus Straußeneiern hergestellt, die Kleidung aus dem Fell von Tieren wie einem Springbock oder einer Antilope.

Heilpflanzen sind eine große natürliche Schatzkammer. Die Doku „Wem gehört das Wissen? Traditionelle Heilpflanzen aus Südafrika“ geht der Frage nach, wer an diesem Wissen und an pflanzlichen Heilkräften verdienen darf.

Wann hast du deine Familie das letzte Mal besucht?

Aufgrund von Covid hatten wir 2020 für mehrere Monate geschlossen. In dieser Zeit besuchte ich meine Familie.

Die Fahrt war sehr lange. Um 19:00 fuhr ich mit einem öffentlichen Bus los und war 12 Stunden später in Upington. Von dort fuhr ich drei weitere Stunden mit einem Taxi zu meiner Familie an der namibischen Grenze. 

Ich bin die Erstgeborene in unserer Familie. Drei Schwestern leben bei meiner Mutter und eine Schwester lebt bei meinem Vater. Mein Bruder ist im Alter von sieben Jahren verstorben.

Beschreibe mir deinen Tagesablauf.

Mein Wecker klingelt um 5:30 und um 7:00 fange ich zu arbeiten an. Gemeinsam mit meinen beiden Arbeitskolleginnen sorge ich dafür, dass der Empfangsbereich sowie die Büros sauber sind. Nach dem Check-out der Gäste machen wir die Zimmer für unsere neuen Besucher fertig. Wir sind verantwortlich für unsere zwei Gästehäuser, unser Buschhaus, vier weitere Busch Lodges und für unsere fünf Buschzelte.

Die Bettwäsche muss gewaschen und gebügelt werden, bevor ich um 16:00 Feierabend mache.

Jede zweite Woche arbeite ich sechs Tage, sonst fünf Tage die Woche.

Ich wohne in !Kwa ttu und habe ein Einzelzimmer mit Bad/WC und einer Kochnische.

Montags und freitags fahren wir mit einem Firmenauto in die Stadt, um unsere Einkäufe zu erledigen und Lebensmittel zum Kochen zu kaufen.

Was macht dich glücklich?

Ich bin stolz, eine gute Arbeit gefunden zu haben. Das Team, mit dem ich tagtäglich zusammenarbeite, bereichert mich, wir lernen voneinander und miteinander. Ich lese und höre gerne Musik, am liebsten südafrikanische Gospel Musik, z.B. von Jonathan Rubain oder Liebeslieder.

Was bedrückt dich?

Manchmal fühle ich mich einsam. Das Fernsehen lenkt mich ab und bringt mich auf andere Gedanken oder ich rufe meine Eltern bzw. Großeltern an. Mit meinen Schwestern kommuniziere ich über WhatsApp.

Die Brutalität in unserem Land stimmt mich sehr traurig. Frauen haben ein Recht, ohne Angst vor einem Überfall oder einer Vergewaltigung zu leben. Kinder sollen sich in ihrem Viertel sicher und geborgen fühlen.

Leider brechen viele Jugendliche aus verschiedensten Gründen ihre Schulbildung ab. Ohne Arbeit, Perspektiven und Zukunftsträume lungern sie in den Straßen herum, lernen die falschen Menschen kennen und kommen auf die schiefe Bahn. Viele bereuen im Anschluss die begangenen Taten und begehen Selbstmord. Menschen müssen sich gebraucht und wertgeschätzt fühlen!

***

 

Meine Anmerkung:

Schutzgebiete wie Etoscha, Okovango, Kalahari sind vielen Reisenden bekannt. Auch hier wiederholte sich der Fehler, einen „Top-Down“ Tourismus zu etablieren, ohne auf die Bedürfnisse der Ureinwohner einzugehen. Diese wurden vertrieben und mit einem Jagdverbot entzog man ihnen ihre autarke Lebensgrundlage. Ohne eine neue Perspektive oder Kompensation verarmten die Menschen und wurden entwurzelt. Sie arbeiteten auf den umliegenden Farmen, mussten für das Militär Fährten lesen oder sich als Touristenattraktion unter oft fragwürdigen Bedingungen zur Schau stellen.

Die Anthropologin Irene Staehelin wollte ein Zeichen setzen. Inspiriert von ähnlichen Zentren in den U.S.A. und Kanada kaufte sie 1999 das Land und gründete 2001 die Schweizer Ubuntu Foundation.

Seit 2006 leistet !Khwa ttu im Rahmen des Ausbildungsprogrammes, so wie es auch Hetta absolviert hat, einen wichtigen Beitrag für junge San-Menschen zur Wiederherstellung ihrer Würde, ihrer Kultur und fördert den sozialen Zusammenhalt.

Ziel der Ausbildung ist es, jungen San-Angehörigen eine Aussicht auf eine selbstbestimmte Zukunft zu ermöglichen.

Egal ob sie danach studieren, sich bei anderen Unternehmen bewerben wollen oder in ihre Heimat zurückkehren, um dort ein eigenes touristisch-kulturbezogenes Unternehmen zu gründen.

 

Derzeit leben im südlichen Afrika schätzungsweise 100.000 bis 130.000 San. Sie sprechen etwa 12 verschiedene Sprachen. Gemeinsames Kennzeichen aller San-Sprachen, auch Khoisan-Sprachen genannt, sind Klick- und Schnalzlaute.

Ihnen sind die Sonderzeichen „I, ‡, !, II“ am Beginn eines Wortes ins Auge gefallen? Diese geben Auskunft, mit welchem Klicklaut einzelne Wörter auszusprechen sind. Lesen Sie hier mehr über diese faszinierende Sprache und lauschen Sie dabei einem Audiobeispiel.

Hetta
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Entdecke die Vielfalt der Menschen – eine Momentaufnahme mit Joe

Juni 2021

Joe (42) ist frisch verheiratet und lebt mit seiner Frau in einem gemieteten Haus in Makeni, etwa 120 km nordöstlich von Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone. Das Land ist ca. 12.000 km2 kleiner als Österreich bei einer Einwohnerzahl von über 7 Millionen Menschen. An der University of Freetown hat Joe Land- und Forstwirtschaft studiert. Sein Know-how gibt er mit viel Idealismus seit 10 Jahren an Landwirt*innen weiter, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern.

Wissen, welches nach dem blutigen Bürgerkrieg (März 1991 – Jänner 2002) und der Ebola Krise (März 2014-März 2016) dringend nötig ist.

 

Was waren deine größten Erfolge und Herausforderungen?

Es war sehr schwierig Unterstützung zu erhalten. Ich wollte einen Weg finden, damit Landwirt*innen wirtschaftlich unabhängig sind, genug zu essen haben und ihr Handeln keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt hat. Nächte lang habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen, wie ich es am geschicktesten anstelle, mein Projekt so zu bewerben, dass sich möglichst viele Menschen dafür interessieren und sich für mein Vorhaben begeistern. Es war ein langer Weg mit Rückschlägen. Umso schöner war es zu sehen, dass Menschen bald Erfolgserlebnisse hatten. Sie realisierten, dass eine nachhaltige Bewirtschaftung ein Gewinn auf allen Ebenen ist und der Anbau von Cashewkernen lukrativ ist. Bis jetzt haben wir ca. 50 ha Brachland kultiviert und 10.000 Bäume gepflanzt.

Ich habe mit Christoph Schaaf und seiner Firma Climate Nuts einen Partner gefunden, der einen Direktvertrieb unserer Cashews nach Europa aufgebaut hat.

 

Was verstehst du unter nachhaltigem Cashew Anbau?

Wir pflanzen Cashews in Agroforstsystemen oder als Permakultur gemeinsam mit Reis und anderen Getreidesorten an. Cashew Bäume tragen bereits nach einigen Jahren und werden über 10 Meter hoch. Nach dem Ernten werden die Kerne vom Fruchtfleisch getrennt, getrocknet, geröstet und geknackt. Du musst wissen, in der Schale ist ein giftiges Öl enthalten. All diese Vorgänge passieren in den Dörfern selbst und schaffen zusätzliche Arbeitsplätze.

Neben Cashews, Reis und Getreide werden unter anderem Süßkartoffeln, Ocra oder Maniok angebaut bzw. Früchte wie Mangos, Zitronen oder Pflaumen.  

 

Wie viele Menschen profitieren vom Cashew-Projekt?

Acht Dörfer sind bis jetzt in das Projekt involviert. Pro Dorf sind wiederum 40 bis 60 Personen mit unterschiedlichsten Tätigkeiten beschäftigt. Die einzelnen Communities liegen verstreut im Umkreis von 60 bis 90 km von Makeni entfernt.

 

Was schätzt du besonders an deinem Heimatland?

Ich liebe unsere Natur, die Landschaft mit ihren Bergen und Seen. Ich schätze es, gemütlich mit anderen beisammenzusitzen, mich mit ihnen auszutauschen, gemeinsam zu essen. Ich mag die Art, wie wir miteinander umgehen, einfach unsere Lebensweise. Wenn ich die einzelnen Dörfer besuche, sitzen wir meist unter einem schattigen Baum, teilen unsere Ideen und diskutieren stundenlang über Landwirtschaft, die Entwicklung des Dorfes, aber auch über die Umwelt und den Klimawandel, der leider auch vor Sierra Leone nicht haltmacht.

16 Ethnien bereichern mein Land und wir leben friedlich zusammen. So ist es nicht unüblich, wenn z.B. ein Temne-Mann eine Mende-Frau oder eine Frau von einer anderen Ethnie heiratet.

 

Joe, du bist frisch verheiratet, magst du uns von deiner Hochzeit erzählen?

Ja, gerne. Am 4. April 2021 haben wir uns das Ja Wort gegeben. Wir heirateten nach den Ritualen der Seventh day Adventist Church. Meine Frau trug ein wunderschönes weißes Brautkleid und ich einen weißen „Bryan“ (eine Hose und eine Tunika) mit orangenfarbener Stickerei. Es war ein wunderschöner, farbenfroher Tag, an dem wir ausgelassen mit Freunden und Verwandten gefeiert haben. Leider konnten meine Eltern diesen besonderen Tag nicht mehr miterleben.

Was macht dich glücklich, was traurig und was wünscht du dir für die Zukunft?

Meine liebe Frau macht mich täglich zu einem sehr glücklichen Mann. Außerdem bin ich zufrieden, wenn ich etwas in unserer Gesellschaft bewege und eine Veränderung sehe, zum Allgemeinwohl beitrage und dadurch ein Fortschritt sichtbar ist. Es erfüllt mich innerlich, wenn Bauern und Bäuerinnen die Früchte ihrer harten Arbeit ernten und dadurch in guter Stimmung sind.

Es ist kein Geheimnis, dass Sierra Leone ein Land ist mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten und hoher Armut. Es stimmt mich traurig, dass Menschen, die Hilfe brauchen, sich keine leisten können, oder dass Kinder wegen des Schulgeldes nicht die Möglichkeit haben eine Schule zu besuchen.

Ich wünsche mir einen fairen Handel zwischen Europa und Afrika, damit einheimische Produzenten mit ihren lokalen Produkten mit den aus der EU importierten Waren wirtschaftlich mithalten können.

Laut Human Developement Index nimmt Sierra Leone den 182. Platz von 189 Ländern ein (Stand 2020).

***

 

Meine Anmerkung:

Ein weiteres dunkles Kapitel in der Geschichte von Sierra Leone war der Sklavenhandel, der 1562 seinen Ausgang an der westafrikanischen Küste nahm. Auf den Inseln vor Sierra Leone, insbesondere auf Bunce und Sherbro, errichteten Engländer Stützpunkte für den Sklavenhandel. Ein Nationalheld ist Sengbe Pieh. Er entfachte auf dem Schiff „Amistad“ 1839 eine Rebellion, in der bis auf zwei Besatzungsmitglieder alle den Tod fanden. Sehen Sie hier eine kurze Zusammenfassung auf YouTube.

Freetown, oder die „freie Stadt“ wurde nach Abschaffung der Sklaverei von Rückkehrern gegründet.

Joe
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